Der Güsel hat’s gut

Denn die Politiker sorgen sich um ihn. So haben die Delegierten des Kehrichtzweckverbands KEZO Hinwil eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft unlängst „klar abgelehnt“. Die Führung einer Kehrichtverbrennungsanlage sei Teil des Service Public. Ganz anders verhält es sich offenbar mit dem Spital Uster: es soll nach einhelliger Auffassung der Spital-Delegierten in eine AG umgewandelt werden. Schon wieder.

Erst vor vier Jahren wurde die Umwandlung des Zweckverbands Spital Uster in eine Aktiengesellschaft von der Stimmbevölkerung an der Urne verworfen, unter anderem von der Standortgemeinde Uster. Jetzt kommt die AG schon wieder aufs Tapet. Diesmal getarnt als angebliche Notwendigkeit für eine Fusion mit dem Spital Wetzikon. Die plumpe Begründung im Wortlaut des Gemeinderats Pfäffikon:

«Mit der Fusion ändert auch die Rechtsform beim Spital Uster. Der Zweckverband wird in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft umgewandelt. Alle anderen Rechtsformen wurden geprüft. Vor allem weil der Spital Wetzikon bereits in eine AG umgewandelt ist, überwiegen bei anderen Varianten die Nachteile und der Spital Wetzikon ist kaum bereit, seine Rechtsform zu verändern.»

Die Spital-AG als Heilsbringerin. Wo doch das am besten aufgestellte öffentliche Spital im Kanton ein Zweckverband ist? Ganz abgesehen davon, dass es so etwas wie eine „gemeinnützige Aktiengesellschaft“ im Obligationenrecht gar nicht gibt. Das Etikett „gemeinnützig“ wird lediglich benötigt, um weiterhin steuerbefreit zu bleiben. Dass das Unterfangen „Spital-AG“ nicht einfach sein wird, ist den Verantwortlichen allerdings klar:

«Es wird einer umfassenden Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Bevölkerung bedürfen, um die nach wie vor herrschenden Privatisierungsängste zu widerlegen. Der Spital Uster ist sich dieser Problematik bewusst.»

Im Gegensatz zur unaufgeklärten und ängstlichen Bevölkerung scheinen die Delegierten des Ustermer Zweckverbands keine Bedenken gegenüber einer Spital-AG zu haben. Ihr Verdikt an der ausserordentlichen Delegiertenversammlung vom 6. März 2019 fiel jedenfalls deutlich aus:

«Beschluss: Die Delegiertenversammlung stimmt folgenden Anträgen des Verwaltungsrates mit 22 JA-Stimmen und einer Enthaltung zu:
– Fusions-Projekt mit dem GZO weiter vorantreiben
Umwandlung der Rechtsform in eine AG vorbereiten.»

Es geht ja auch lediglich um unsere – auch langfristig bezahlbare –Gesundheitsversorgung. Soll hingegen ein Kehrichtentsorgungs-Zweckverband – die KEZO – in eine AG umgewandelt werden, zeigt sich die Gemeinde-Politik plötzlich (und zu Recht) besorgt:

«Im Zuge des Revisionsverfahrens wurde die Überführung des Zweckverbands in eine Aktiengesellschaft vorgeschlagen. Der Verwaltungsrat, die Rechnungsprüfungskommission und die Delegiertenversammlung haben dieses Anliegen klar abgelehnt. Die Führung einer Kehrichtverwertungsanlage (KVA) ist eine hoheitliche Tätigkeit und ein Teil des Service Public. Die Vielzahl bundesrechtlicher und kantonaler Vorgaben und Vorschriften schliessen ein freies unternehmerisches Handeln praktisch aus. Eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft würde wirtschaftlich keine Vorteile erbringen. Im Gegenteil würde eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft die heutige Stellung der Gemeinden und die demokratische Verankerung unnötig schwächen

https://www.uster.ch/_docn/2112178/W10.pdf

Dem Güsel scheint man besser Sorge zu tragen als dem kranken Bürger. Wir finden das eklig.

Ist die NZZ auf dem rechten Auge blind?

Am 4. April 2019 hat die NZZ den folgenden Leserbrief zur Publikation erhalten (erschienen ist er nie):

Der Wechsel zu einem wettbewerbsorientierten Gesundheitswesen sei kein Fehler gewesen, argumentiert Jan Hudec in der NZZ vom 3. April 2019. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Für eine Debatte müssen aber alle Fakten auf den Tisch. Diesbezüglich staunt man über den Mut des Autors zur Lücke. Angefangen beim Triemli, welchem die Stadt ein prunkvolles Bettenhaus hingestellt habe. Die Stadt? Zitat aus der NZZ vom 7. November 2007 zum 290 Mio. Fr. Kredit: „Die Vorlage ist politisch nicht umstritten, auch die NZZ empfiehlt ein Ja.“ Die NZZ hat vor 12 Jahren offenbar ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Und sie macht sie auch heute nicht. So wird behauptet, die geplante Fusion der Spitäler Wetzikon und Uster würde die beiden Häuser effizienter machen. Unerwähnt bleibt, dass beide Spitäler an ihren geplanten Bauvorhaben festhalten: Kostenpunkt 600 Millionen Franken für insgesamt 300 geplante Akutspitalbetten. Dabei musste das Spital Uster 2017 operativ rote Zahlen schreiben, nicht nur das im Artikel erwähnte Triemli. Auch die Darstellung der Fallkosten ist Rosinenpickerei: der Artikel legt den Fokus ausschliesslich auf die Schlusslichter Waid und Triemli, deren durchschnittliche Fallschwere mit einem CMI von 1.07 in beiden Spitälern zudem relativ hoch liegt. Die nächsten klassischen Regionalspitäler am (teuren) Ende der Fallkostenliste sind dann aber bereits die Spitäler Männedorf (Aktiengesellschaft), Affoltern (Zweckverband) und Uster (Zweckverband). Am günstigsten sind die Behandlungskosten hingegen am Spital Limmattal (Zweckverband). Es besteht also weder eine Korrelation, geschweige denn eine Kausalität, zwischen der Rechtsform eines Spitals und seiner Wirtschaftlichkeit. Für ein vollständiges Bild müsste die Leserschaft auch darüber aufgeklärt werden, dass in der GZO Spital Wetzikon AG eine ausgeprägte Bonuskultur herrscht. Und sich das Spital um die Submissionspflicht seines Bauvorhabens scherte. Der kürzlich erfolgte Leitentscheid des Bundesgerichts blieb in der NZZ bislang unerwähnt. Warum wird über die Spitäler Wetzikon und Uster der Mantel des Schweigens gelegt? Und die Leistung des Zweckverbands Spital Limmattal mit keinem Wort gewürdigt? Hängt das am Ende damit zusammen, dass die beiden Zürcher Oberländer Häuser unter FDP-Führung stehen, während das „Limmi“ unter SP-Leitung steht? Ist die NZZ auf dem rechten Auge blind?

Thomas Werschlein, Uster