Spät, aber nicht minder herzlich, möchten wir uns bei allen Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern bedanken, welche mit ihrem NEIN den unerwartet deutlichen Abstimmungserfolg vom vergangenen Sonntag möglich machten. Die mit 57% deutliche Ablehnung der Spital Uster AG durch die Standortgemeinde und das Verwerfen der Vorlage durch Pfäffikon und Wildberg verleihen dem Verdikt den nötigen Nachdruck.
Mehr als ein Etappensieg ist die Ablehnung der «Rechtsformumwandlung» des Spitals Uster aber nicht. Es ist nun zwar nicht ganz so einfach, sich bei Bedarf des Akutspitals zu entledigen, unmöglich ist es deswegen aber noch lange nicht. Solange die hochtrabenden Reha-Pläne bestehen, besteht die begründete Gefahr, dass das Spital Uster mittelfristig zu einer reinen Rehaklinik mutieren könnte.
Dass die Zweckbestimmung und somit die medizinische Ausrichtung des Spitals Uster selbst für den Ustermer Stadtrat von untergeordneter Bedeutung ist, bestätigte er erstmals in seiner 45-seitigen Vernehmlassungsantwort auf den von uns im Vorfeld der Abstimmung eingereichten Stimmrechtsrekurs.
Unsere Stellungnahme auf die unvermittelt an den Tag gelegte «neue Offenheit» des Stadtrats (Rekursgegnerin) lautete wie folgt:
«Bevor wir im Detail auf die von der Rekursgegnerin gemachten Einwände eintreten, soll hier auf einen zentralen Aspekt der Vernehmlassungsantwort hingewiesen werden: die Rekursgegnerin räumt darin nämlich erstmalig ein, dass der von uns als „Kern der Vorlage“ bezeichnete Gesellschaftszweck der zu gründenden Aktiengesellschaft ganz bewusst weiter gefasst wurde als in den Zweckverbandsstatuten. In Randziffer 54 wird bestätigt, dass es sich beim Begriff „Spital“ um einen Oberbegriff handelt (Akutsomatik, Psychiatrie, Rehabilitation, vgl. auch Randziffer 56) und nicht zwingend um ein Akutspital. Begründet wird diese Begriffswahl in Randziffer 58 mit der notwendigen unternehmerischen Freiheit und mit dem Erfordernis, sich rasch der jeweiligen Marktsituation anpassen zu können. Des weiteren wird in Randziffer 115 ausgeführt, dass es sich im Verständnis des Zweckverbands auch beim Begriff „[medizinische] Grundversorgung“ um einen Oberbegriff handelt („ohne weitere Nennung der einzelnen Bereiche der Grundversorgung“) und damit nicht zwingend die akutsomatische Grundversorgung gemeint ist. Begründet wird die allgemeine Begriffswahl wiederum mit der Wahrung der nötigen Flexibilität. Zusammengefasst bestätigt die Rekursgegnerin somit die Auffassung der Rekurrierenden, dass Art. 2 und Art. 3 der IKV, welche gemeinsam den Zweck der Aktiengesellschaft umschreiben (Randziffer 42), erfüllt werden, solange das Spital die medizinische Versorgung in einem der Bereiche Akutsomatik, Psychiatrie oder Rehabilitation (allenfalls auch in Kombination) anbietet. Folgerichtig wird in Randziffer 85 denn auch der Begriff Zweckerweiterung verwendet. Als Argument für diese Zweckerweiterung wird angeführt, dass der Kanton im Rahmen der Spitalplanung die Leistungsaufträge vergibt und das Spital Uster vom Regierungsrat aufgrund der spezifischen Voraussetzungen auf eine (oder mehrere) der jeweiligen Spitallisten (Akutsomatik, Rehabilitation oder Psychiatrie) aufgenommen wird (Randziffer 64). Es ist richtig, dass die Erwähnung des Begriffs „Akutspital“ oder „akutsomatisch“ im Gesellschaftszweck den Verbleib auf der Akutspitalliste nicht garantieren würde (Randziffer 65). Entscheidend ist hingegen, dass eine allfällige Streichung von der Akutspitalliste in der nun zur Abstimmung gelangenden Fassung der IKV keine Urnenabstimmung nach sich ziehen würde. Anders als die Rekursgegnerin in Randziffern 72 und 116 ausführt, würde der Sinn und Zweck einer Volksabstimmung in diesem Fall nicht darin bestehen, das Akutspital trotz fehlendem kantonalen Leistungsauftrag „an der Urne zu erzwingen“ (was selbstverständlich unmöglich ist). Es ginge in einer solch ausserordentlichen Situation ganz im Gegenteil darum, die künftige Ausrichtung des Spitals (und allenfalls auch die Eigentumsverhältnisse) zu überdenken und gegebenenfalls völlig neu zu regeln. Und genau dies wird in Abschnitt III.5 der Weisung versprochen: „Die essentiellen Grundsätze sind also der Urnenabstimmung vorbehalten und in der Interkommunalen Vereinbarung restriktiv formuliert.“
Womit wir bei der gerügten Beeinträchtigung der freien Willensbildung der Stimmberechtigten wären:
Würde diese Transparenz, wie sie jetzt in der Vernehmlassungsantwort der Rekursgegnerin erstmalig geschaffen wurde, auch in der Weisung und im Abstimmungskampf herrschen, bestünde hinsichtlich irreführender Information kein Anfechtungsgrund. Bislang wurde aber an offiziellen Informationsveranstaltungen wie auch im politischen Abstimmungskampf mit Vehemenz darauf gepocht, dass der Zweck, wie er in den Artikeln 2 und 3 der IKV stipuliert ist, zwingend den Betrieb eines Akutspitals erfordere. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist auch vielen Zweckverbandsdelegierten und Politikerinnen und Politikern nicht klar, welche Möglichkeiten die nun vorliegende Zweckbestimmung dem Verwaltungsrat der Spital Uster AG im Hinblick auf die Ausrichtung des Spitals eröffnet. Wäre die auch in Bezug auf die medizinische Ausrichtung des Spitals explizit gewünschte Flexibilität offen und ehrlich kommuniziert worden, hätte sich wohl auch mit bürgerlichen Parteien ein konstruktiver Dialog entwickeln und diese Grundsatzfrage im Abstimmungskampf sachlich thematisiert werden können. Durch die konsequente Negierung der Zweckerweiterung durch die Spitalverantwortlichen, die Delegierten sowie die Exekutive der Stadt Uster haben sich nur Parteien und Gruppierungen, welche auch aus anderen Gründen gegen die geplante Rechtsformumwandlung antreten überhaupt mit diesem Aspekt befasst. Dadurch wurde eine links-rechts Polarisierung geschaffen, welche dem Argument der Eliminierung der Akutsomatik aus dem Gesellschaftszweck nicht gerecht wird. Wie Randziffern 13 und 112 zeigen, ist die Rekursgegnerin nicht abgeneigt, diese Stereotypen ebenfalls zu bedienen.
Aufgrund der bisherigen Erörterungen wird klar, dass die Meinungsbildung der Stimmbürger aufgrund der Weisung verfälscht und massiv beeinflusst wird, wenn in Abschnitt III.5 der Weisung geschrieben steht: „Diese Vereinbarung regelt präzise die Zweckbestimmung […]“, bzw.
in Abschnitt III.6 – trotz Erweiterung des Gesellschaftszwecks – verlautet wird: „Die Zweckbestimmung der Aktiengesellschaft wurde aus den Zweckverbandsstatuten 2012 übernommen und präzisiert.“Offensichtlich wird die Irreführung, wenn man sich vor Augen hält, dass sich die wortwörtlich identische Formulierung auch in der Weisung zur Rechtsformumwandlung des Zweckverbands Spital Bülach in eine Aktiengesellschaft (Beilage 1, Art 2.2) findet: „Der Zweck der Aktiengesellschaft wurde aus den Zweckverbandsstatuten 2012 übernommen und präzisiert.“ Allerdings mit dem grossen Unterschied, dass in der Bülacher Weisung in Art 2.1.1 unter dem Titel „Festlegung des Zwecks der Aktiengesellschaft im Interesse der Bevölkerung und der Gemeinden“ folgendes erläutert wird:
„Indem die Gemeinden den Zweck der Aktiengesellschaft in der Interkommunalen Vereinbarung festlegen, schaffen sie eine hohe Hürde, um diesen zu verändern. In der vorliegenden Interkommunalen Vereinbarung wurde inhaltlich bewusst eine möglichst präzise Formulierung des Zwecks gewählt. Wie heute soll der Betrieb eines Akutspitals im Vordergrund stehen, das bei seiner Ausrichtung in erster Linie auf die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner der Region Rücksicht nimmt. Die Umschreibung ist aber weit genug gefasst, damit das Spital flexibel auf die kommenden Bedürfnisse der Gemeinden und die sich ändernden Erfordernisse des zürcherischen Gesundheitssystems reagieren kann, indem es zum Beispiel in untergeordneten Bereichen Beteiligungen mit anderen Leistungserbringern eingehen kann. Zudem kann der Verwaltungsrat den Aufgabenbereich der Aktiengesellschaft bei Bedarf und im Rahmen der Zweckumschreibung auf weitere Aufgaben im Gesundheitsbereich ausdehnen.“
Der Zweck der Spital Bülach AG (Beilage 2, Art. 2 IKV) lautet denn auch:
„Der Hauptzweck der Gesellschaft ist, mit dem Betrieb eines Akutspitals die medizinische und pflegerische Versorgung sicherzustellen, unter Berücksichtigung der regionalen und überregionalen gesundheitspolitischen Bedürfnisse. […]“
In der „Bülacher Weisung“ wurde also explizit eine Erläuterung zum Zweckartikel in die Weisung aufgenommen, welcher die Bedeutung der Zweckbestimmung als „hohe Hürde“ (gemeint ist eine Änderung der IKV, welche eine Urnenabstimmung nach sich zieht) betont. Diese Erläuterung wäre keineswegs nötig gewesen, wurde der Zweck ja tatsächlich aus den Verbandsstatuten übernommen und präzisiert.
In der Weisung des Zweckverbands Spital Uster wird (1) diese „hohe Hürde“ bei Wegfall des Akutspitals hingegen stillschweigend entfernt, (2) gleichzeitig aber behauptet, der Zweck sei aus den Verbandsstatuten übernommen und präzisiert worden, und (3) auf eine Erläuterung zur Zweckerweiterung wird gar gänzlich verzichtet. Daraus wird ersichtlich, dass die Irreführung der Stimmbürger mutmasslich absichtlich erfolgte, da die Vorlage des Spitals Bülach den Zweckverbandsdelegierten in Uster offensichtlich bekannt war und nach Gutdünken ganze Passagen wörtlich übernommen wurden – oder „bei Bedarf“ eben auch ganz bewusst weggelassen.
Die Beteuerungen der Rekursgegnerin, dass (1) aufgrund des bestehenden Leistungsauftrags eine Weiterführung des Akutspitals zwingend sei, (2) dies aufgrund der eingesetzten Ressourcen in den Akutbereich auch wirtschaftlich sinnvoll sei und (3) überhaupt die Spitalverantwortlichen keine Pläne hegten, den Akutbereich aufzugeben, ist dabei vollkommen unerheblich. Beim gerügten Sachverhalt geht es um die Frage, was geschieht, wenn der akutsomatische Leistungsauftrag für das Spital Uster – aus welchen Gründen auch immer – verloren geht. Das über 100-jährige Spital also seinen bisherigen „Zweck“ (im nichtjuristischen Sinne) nicht mehr erfüllt. Die Weisung behauptet, dass die „essentiellen Grundsätze der Urnenabstimmung“ vorbehalten seien. Dem ist wie gezeigt, nicht so. Erhält das Spital, bzw. verfügt es bereits, über einen anderen Leistungsauftrag, z.B. aus dem Bereich Rehabilitation, wird keine IKV-Änderung nötig sein. Erhält es überhaupt keinen Leistungsauftrag mehr, fällt die IKV dahin. In beiden Fällen sind die „essentiellen Grundsätze“ somit gerade nicht der Urnenabstimmung vorbehalten, sondern liegen in der Kompetenz des Verwaltungsrats. Diese Tatsache wird in der Weisung nach Kräften verschleiert.
Aus diesen Gründen sehen wir eine erhebliche Beeinträchtigung der freien Willensbildung der Stimmberechtigten, welche den eigentlichen Kern der Vorlage betrifft.»
Der Stimmrechtsrekurs wurde vom Bezirksrat am Freitag vor dem Abstimmungswochenende in allen Punkten abgewiesen. Die erste Instanz hat die Argumentation des Stadtrats vollständig übernommen und ist auf das Argument der klammheimlichen Zweckerweiterung überhaupt nicht eingegangen. Weshalb wir uns bei einem Weiterzug, bzw. der Anfechtung eines knappen Abstimmungsresultats, in nächster Instanz (Verwaltungsgericht) gute Erfolgschancen ausgerechnet hätten. Glücklicherweise wurde dieser Schritt nun aufgrund der deutlichen Ablehnung der Vorlage nicht nötig.