Archiv der Kategorie: NZZ

Dä hetti, wetti, sött me, chönnt me

Dieser feiert wieder mal fröhlich Urständ. Hier bei der Beurteilung des Abschreibers beim Bettenhaus des Spital Triemli. Die Parteien und meisten Politiker zeigten anlässlich der Abstimmung im Jahre 2007 ihre warme Unterstützung für den Bettenhausneubau. Wie immer bei solchen Projekten wird geklotzt und nicht gekleckert. Auch die Presse, so die NZZ, schwang das Fähnlein tüchtig und warb für ein Ja.

Die Kritik von diesen Akteuren scheint daher etwas billig. Im Nachhinein wissen es alle besser. Hätte man anno 2007 die heutige Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Spitallandschaft voraussagen können? Immerhin war schon klar, dass die kontinuierlich stark steigenden Krankenkassenprämien nach Antworten rufen würden. Ebenfalls hätte man bei den Holländern den Trend „ambulant vor stationär“ entdecken können.

Erstaunlich ist mit diesem Hintergrundwissen, dass 2020 im Spitalneubau wieder geprotzt wird. Die Spitäler Wetzikon und Uster wollen fusionieren. Kosten sollen eingespart werden. Bei ihren Neubauten sollen aber bitte keine Abstriche gemacht werden, stationäre Betten würden dringend gebraucht. Die Baukosten fallen nicht ins Gewicht , meinte Herr Mühlemann, Spitaldirektor von Uster, anlässlich einer Delegiertenversammlung des Zweckverbandes. Die geplanten Einsparungen von 100 Millionen sollen woanders erzielt werden. Aus den jährlichen Statistiken ist jedoch keine Bettenknappheit herauszulesen. Die Bettenbelegung liegt unter 75% über das Jahr (Gesundheitsversorgungsbericht 2019, Seite 50).

Erstaunlich jedoch, dass in der Vergangenheit an den Delegiertenversammlungen immer wieder betont wurde, dass das Spital absolut vollbesetzt sei, die Grippe wüte gerade und so. Seltsam auch, dass noch nie eine Delegierte bzw. ein Delegierter auf diesen Widerspruch aufmerksam machte, obwohl diese Zahlen öffentlich zugänglich sind.

Die Spitalleitung redet eine siechende, ältere Bevölkerung herbei, welche massiv Spitalkapazitäten beanspruchen würde. Tatsache ist, dass der Grossteil der heutigen Senioren bei guter Gesundheit länger lebt. Möglicherweise braucht es einige zusätzliche, künstliche Hüftprothesen. Mit den heutigen minimal invasiven Operationsmethoden bleibt ein Spitalaufenthalt relativ kurz. Auch gilt: ambulant vor stationär wo möglich. Dies ist ebenfalls bei der Reha der neue Trend.

Diese Botschaft scheint bei den altgedienten Spitalfossilien nicht angekommen zu sein. Weiterhin soll beim Bauen geklotzt werden, was das Zeug hält. Wenn es um ein Spital geht, dann scheint bei den meisten Politikern jegliches kritische und selbständige Denken abhanden zu kommen. Die Journalisten kritisieren lieber im Nachhinein, als dass sie analysieren im Vorhinein. Die Zeichen an der Wand sind nicht zu übersehen. Aber niemand liest sie.

Die Gewinner dieser Geschichte sind alle, die sich am Bau ein goldenes Händchen verdienen. Die Presse darf sich im zukünftigen Schadensfall selbstverständlich wieder empören. Die Politiker geben sich mit einem Apéro zufrieden.

Bezahlen tut es der Steuerpflichtige. Die Krankenkassenprämien werden weiterhin steigen. Einmal mehr wird zu Lasten der nachkommenden Generation überkonsumiert.

Bildquelle: Alexas_Fotos from Pixabay

Ist die NZZ auf dem rechten Auge blind?

Am 4. April 2019 hat die NZZ den folgenden Leserbrief zur Publikation erhalten (erschienen ist er nie):

Der Wechsel zu einem wettbewerbsorientierten Gesundheitswesen sei kein Fehler gewesen, argumentiert Jan Hudec in der NZZ vom 3. April 2019. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Für eine Debatte müssen aber alle Fakten auf den Tisch. Diesbezüglich staunt man über den Mut des Autors zur Lücke. Angefangen beim Triemli, welchem die Stadt ein prunkvolles Bettenhaus hingestellt habe. Die Stadt? Zitat aus der NZZ vom 7. November 2007 zum 290 Mio. Fr. Kredit: „Die Vorlage ist politisch nicht umstritten, auch die NZZ empfiehlt ein Ja.“ Die NZZ hat vor 12 Jahren offenbar ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Und sie macht sie auch heute nicht. So wird behauptet, die geplante Fusion der Spitäler Wetzikon und Uster würde die beiden Häuser effizienter machen. Unerwähnt bleibt, dass beide Spitäler an ihren geplanten Bauvorhaben festhalten: Kostenpunkt 600 Millionen Franken für insgesamt 300 geplante Akutspitalbetten. Dabei musste das Spital Uster 2017 operativ rote Zahlen schreiben, nicht nur das im Artikel erwähnte Triemli. Auch die Darstellung der Fallkosten ist Rosinenpickerei: der Artikel legt den Fokus ausschliesslich auf die Schlusslichter Waid und Triemli, deren durchschnittliche Fallschwere mit einem CMI von 1.07 in beiden Spitälern zudem relativ hoch liegt. Die nächsten klassischen Regionalspitäler am (teuren) Ende der Fallkostenliste sind dann aber bereits die Spitäler Männedorf (Aktiengesellschaft), Affoltern (Zweckverband) und Uster (Zweckverband). Am günstigsten sind die Behandlungskosten hingegen am Spital Limmattal (Zweckverband). Es besteht also weder eine Korrelation, geschweige denn eine Kausalität, zwischen der Rechtsform eines Spitals und seiner Wirtschaftlichkeit. Für ein vollständiges Bild müsste die Leserschaft auch darüber aufgeklärt werden, dass in der GZO Spital Wetzikon AG eine ausgeprägte Bonuskultur herrscht. Und sich das Spital um die Submissionspflicht seines Bauvorhabens scherte. Der kürzlich erfolgte Leitentscheid des Bundesgerichts blieb in der NZZ bislang unerwähnt. Warum wird über die Spitäler Wetzikon und Uster der Mantel des Schweigens gelegt? Und die Leistung des Zweckverbands Spital Limmattal mit keinem Wort gewürdigt? Hängt das am Ende damit zusammen, dass die beiden Zürcher Oberländer Häuser unter FDP-Führung stehen, während das „Limmi“ unter SP-Leitung steht? Ist die NZZ auf dem rechten Auge blind?

Thomas Werschlein, Uster


Richtigstellung Nr. 2

Die NZZ fungiert in der heutigen Ausgabe als Sprachrohr der Verantwortlichen des Zweckverbands Spital Uster.

Dazu folgende Richtigstellungen:

  1. «So macht eine Gruppe Anwohner den Spitalverantwortlichen das Leben mit Beschwerden schwer. Selbst das Protokoll der Delegiertenversammlung wurde – allerdings erfolglos – angefochten.»
    Diese Aussage ist despektierlich und – vor allem – falsch: der Protokollrekurs war nicht erfolglos, sondern ist vor dem Verwaltungsgericht hängig. Es erstaunt, dass ausgerechnet Medienschaffende eine vollständige Protokollierung als unwichtig erachten. So wird das Öffentlichkeitsprinzip vollends zur Farce.
  2. «Der zentrale Punkt der Kritiker, dass das Spital gar keine Reha-Klinik erstellen dürfe, scheint ins Leere zu laufen.»
    Die NZZ übernimmt hier unbesehen die Argumentation der Spitalverantwortlichen. Beim erwähnten Kooperationsartikel handelt es sich nicht um den Zweckartikel – kann es gar nicht, weil es gemäss Gemeindegesetz «keinen Zweckverband mit offenem Zweck gibt». Kooperationen müssen dem Zweck untergeordnet sein. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt: ein Zweckverband soll kein Eigenleben entwickeln, schon gar nicht jene Verbände, mit eigenem Haushalt (Kehrichtzweckverbände seit Einführung der Sackgebühr, Spitalzweckverbände seit der neuen Spitalfinanzierung). Gerade von der NZZ wäre etwas mehr staatspolitisches Bewusstsein zu erwarten.
  3. «Das Spital Uster rechnet bis 2030 mit deutlich steigenden Patientenzahlen (siehe Grafik). Die tendenziell sinkende Aufenthaltsdauer wird dabei vom erwarteten starken Bevölkerungswachstum im Glatttal und von der zunehmenden Alterung mehr als kompensiert.»
    Die Grafik taugt nicht als Begründung zur Erhöhung der Bettenkapazität. Die massgebliche Grösse, die Anzahl der Pflegetage, fehlt. Die NZZ übernimmt wiederum unbesehen die bewusst irreführende Grafik der Spitalführung. Die Gesundheitsdirektion hat im Vorfeld der neuen Spitalfinanzierung in aufwändigen Studien versucht, die Entwicklung der Pflegetage abzuschätzen. Fazit: «Pflegetage nehmen [bis 2020] nur leicht zu (+1%)». Mehr Patienten bedeuten nicht automatisch mehr Betten.
    Zürcher Spitalplanung 2012 Versorgungsbericht

Folgende Schlussbemerkung:

Wenn Spitalpräsident Giger meint,  das Spital Wetzikon «schöpfe sein Marktpotenzial aus, während das Einzugsgebiet für Uster Richtung Zürich offen sei» trifft er damit des Pudels Kern: das Spital Uster hat nicht die Aufgabe ein angebliches «Marktpotential» in Richtung Zürich «abzuschöpfen», sondern die akutsomatische Grundversorgung im Verbandsgebiet zu gewährleisten.