Das Spital Uster pfeift aus dem letzten Loch

Im Kommentar zum Gemeindegesetz steht Folgendes:

«Das Personal eines Zweckverbands hat keine Organstellung. Auch der Direktor eines Spitals oder der Betriebsleiter einer Kehrichtverbrennungsanstalt sind trotz ihrer hohen Verantwortung rechtlich Vollzugsgehilfen ihrer vorgesetzten Behörde. Die Kompetenzen, die ihnen aus praktischen Gründen zugestanden werden, üben sie stets unter der Verantwortung der ihr vorgesetzten Behörde aus.»

Somit ist klar: sollte Spitaldirektor Andreas Mühlemann seiner hohen Verantwortung nicht gerecht werden, trägt die Verantwortung letztlich der Verwaltungsrat des Zweckverbands unter seinem Präsidenten Reinhard Giger, bzw. die Delegiertenversammlung, welche die Oberaufsicht über den Verband ausübt. Mitgegangen, mitgehangen.

An der Delegiertenversammlung vom vergangenen Mittwoch, 16. Mai, bot sich dem Verwaltungsratspräsidenten und dem Spitaldirektor die Gelegenheit, den Delegierten aus den Trägergemeinden und der interessierten Öffentlichkeit aus erster Hand vom vergangenen Geschäftsjahr 2017 zu berichten. Vom Spektakel, welches dort geboten wurde, sei im Folgenden berichtet:

Spitalpräsident Reinhard Giger eröffnete die Versammlung um 19 Uhr mit dem ersten Traktandum, „Informationen“, und bezeichnete die Jahresrechnung 2017 des Spitals zwar als „nicht erfreulich“. Um aber sogleich anzufügen, dass „alle Spitäler dasselbe Problem“ hätten. Einige Spitäler hätten gar „schwerwiegende Probleme“, das einzige öffentliche Spital im Kanton, dem es gut gehe, sei das Unispital. Die EBITDA-Marge, die zentrale Kennzahl für ein Spital – insbesondere wenn es, wie das Spital Uster, massive Bauinvestitionen plant – erwähnte er nicht. Weshalb nicht, zeigt sich sogleich (siehe dazu auch: was ich nicht weiss, …)

Katastrophale EBITDA-Marge

Der Spitalpräsident insinuierte also, dass das Spital Uster – im Gegensatz zu anderen Spitälern – keine schwerwiegenden Probleme hätte. Stimmt diese Aussage? Mitnichten!

Die folgende Abbildung zeigt die EBITDA-Marge der Zürcher Listenspitäler (soweit bis zum 20.5.2018 bekannt) für das Geschäftsjahr 2017:

Die Abbildung zeigt: Es gibt kein Akutspital im Kanton Zürich, welchem es finanziell schlechter geht als dem Spital Uster! 

Es handelt sich in Uster auch nicht um einen einmaligen „Ausrutscher“, sondern um die Akzentuierung eines Trends, welcher sich seit Amtsantritt von Reinhard Giger im Jahre 2012 abzeichnete.

Die folgenden drei Abbildungen zeigen den Verlauf der EBITDA-Marge des Spitals Uster in den letzten sechs Jahren im Vergleich zu den Spitälern Wetzikon und Limmattal:

Es stimmt zwar, dass im vergangenen Geschäftsjahr die EBITDA-Marge aller Spitäler im Vergleich zum Vorjahr unter Druck geraten ist. Kein anderes Spital verzeichnet aber einen derartigen Einbruch wie das Spital Uster. Viel gravierender ist aber, dass bei keinem anderen Spital der mehrjährige Trend (punktierte Linie) derart steil nach unten zeigt, wie beim Spital Uster. Beide Vergleichsspitäler haben nach dem Jahr 2014 die Trendwende geschafft. Am Spital Uster blieb diese aus. Die gute Ausgangslage wurde regelrecht verspielt. Kein anderes Spital aus der Vergleichsgruppe konnte nach Einführung der neuen Spitalfinanzierung 2012 mit einer derart hohen EBITDA-Marge ins Rennen gehen, wie das Spital Uster. Kein Wunder: der bis 2012 amtierende Spitalpräsident Edgar P. Hirt (ehemaliger Finanzchef der NZZ) galt als kostenbewusster Macher.

Die Stimmbürger belogen

Das Spital Limmattal – notabene ebenfalls ein Zweckverband, aber ein anständig geführter – sticht gleich doppelt positiv hervor: zum einen zeigt der EBITDA-Trend eine solide Seitwärtsbewegung deutlich über der erforderlichen Mindestmarge von 10% (roter Bereich). Dass es sich selbst bei der letztjährigen EBITDA-Marge des „Limmi“ von 9.76% um einen hervorragenden Wert handelt, erschliesst sich nur, wenn man weiss, dass das Spital Ende 2018 seinen Neubau beziehen kann. In einer solchen Phase kommt die EBITDA-Marge naturgemäss etwas unter Druck.

Das weiss auch die Spitalführung in Uster, welche noch in der Abstimmungsweisung für den Urnengang vom 27. November 2016 über die 349 Millionen Franken für den Spitalausbau auf Seite 13 verlauten liess:

«Die EBITDA-Marge – das Verhältnis von Gewinn vor Abschreibungen und Zinsen zum Umsatz – wird während der Bauphase mit 8 bis 11% etwas unter Druck stehen, sich nachher aber wieder auf ein gutes, für Spitäler empfohlenes Niveau von 12 bis 15% erholen.»

Quelle: Abstimmungsweisung

Es wurde also insinuiert, die EBITDA-Marge des Spitals Uster liege heute auf dem Niveau von 12 bis 15%. Das war eine glatte und gezielte Lüge, wie den obigen Abbildungen unschwer zu entnehmen ist. Aber mit der Wahrheit nahmen es die Spitalverantwortlichen in Uster noch nie so genau. Lausige 3.4% EBITDA-Marge im letzten Jahr, mit einer allfälligen Bauphase in weiter Ferne. Und selbst die Spitalführung würde 12 bis 15% für angemessen und „gut“ halten. Da müsste bei den Verantwortlichen Feuer im Dach sein. Weit gefehlt. Gehen wir wieder zurück in Delegiertenversammlung (DV) vom vergangenen Mittwoch:

Die RPK macht in corpore „blau“

Da wird der DV also das schlechteste Jahresergebnis seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung 2012 präsentiert – und die Rechnungsprüfungskommission macht blau! So verkündete Reinhard Giger Eingangs der Versammlung, dass kein Vertreter der RPK anwesend sei (immerhin ein Gremium von fünf Personen). Das sei aber nicht weiter schlimm, denn die RPK hätte sowieso keine Bemerkungen oder Ergänzungen zur Rechnung gehabt. Aha.

Traktandum 3, Abnahme der Jahresrechung 2017, Auftritt des Spitaldirektors. Andreas Mühlemann frohlockte: „das Eigenkapital wächst!“ Das Spital Uster habe eine der höchsten Eigenkapitalquoten im Zürcher Gesundheitswesen. Kunststück, haben viele andere Spitäler ihre baulichen Erneuerungsprogramme doch längst in Angriff genommen und massiv Fremdkapital aufgenommen. Da sinkt die EK-Quote natürlich zwangsläufig. Selbst dieser klägliche Versuch des Spitaldirektors, das eigene Versagen in Sachen Spitalerneuerung zu kaschieren, scheitert an den Fakten: so weist das Spital Limmattal, welches strukturell in allen Belangen mit dem Spital Uster vergleichbar ist, im vergangenen Geschäftsjahr ein Eigenkapital von über 63 Mio. Franken aus. Das Spital Uster weist demgegenüber nur 53 Mio. Franken EK aus.

Die Kosten nicht im Griff

Ursache für das schlechte Jahresergebnis seien die Erträge, welche unter den Erwartungen geblieben seien, fuhr der Spitaldirektor fort. Grund dafür sei eine Verschiebung der Grippesaison und ein „Sommerloch“ bei den Patienten gewesen. Zudem hätte die von der Gesundheitsdirektion gewollte Verschiebung vom stationären in den ambulaten Bereich Wirkung gezeigt. Die ambulanten TARMED-Tarife seien für Spitäler aber nicht kostendeckend. Das mag alles zutreffen und ist so auch bei anderen Spitälern zu beobachten. Stutzig macht aber Folgendes: Weit hinter den Erwartungen blieben lediglich die Erträge aus den Fallpauschalen für allgemein versicherte Patienten (knapp 7 Mio. Franken oder fast 10% unter Budget). Das ist aber jene Patientenkategorie, an denen das Spital gemäss früheren Aussagen des Spitaldirektors gar nichts verdiene. Ein Einbruch in diesem Segment müsste also unterdurchschnittlich erfolgswirksam sein. Denn bei den Zusatzversicherten lag man im Bereich des Voranschlags (Privatpatienten) oder gar über Budget (+4% bei den halbprivat Versicherten).

Quelle: Geschäftsjahr 2017 in Zahlen

Müsste wenn man die Kostenseite im Griff hätte. Stellen sich die Erträge aufgrund sinkender Patientenzahlen nicht wie erwartet ein, dürfte der Betriebsaufwand im schlechtesten Fall so hoch sein wie budgetiert. Personalkosten z.B. lassen sich nicht kurzfristig senken. In der Delegiertenversammlung behauptete der Spitaldirektor denn auch ungeniert: „beim Personalaufwand lagen wir im Budget“. Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: die Personalkosten lagen knapp 3 Mio. Franken über dem Voranschlag! Unerklärlich ist auch der über Budget liegende medizinische Aufwand (+700’000 Franken). Dieser variable Kostenblock müsste mit sinkenden Patientenzahlen unter den budgetierten Zahlen liegen.

Es geht ans Eingemachte

All diese Ungereimtheiten blieben freilich unerwähnt. So wie der rosa Elefant im Raum auch: dass das operative Betriebsergebnis des Spitals Uster mit knapp 1.4 Millionen Franken NEGATIV war, wurde vom Spitaldirektor mit keinem Wort erwähnt. Noch nie seit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung im Jahre 2012 musste das Spital Uster einen operativen Verlust verbuchen. Und der Spitaldirektor erwähnt diesen Umstand mit keinem Wort.

Sonst hätte er ja auch erläutern müssen, weshalb das Spital Uster im Gesamtergebnis doch einen kleinen Gewinn von 2.6 Mio. Franken ausweisen konnte. Der geheimnisvolle Posten „Ausserordentliches“ in der Rechnung macht’s möglich. Budgetiert wurde dafür freilich nichts. Aus heiterem Himmel wurden dann aber 3.4 Mio. Franken in die Spitalkasse gespült. Erläuterungen dazu gab’s vom Spitaldirektor keine. Von der RPK, da, wie bereits erwähnt, gar nicht erst aufgetaucht, auch nicht.

Ein Blick in die detaillierte Jahresrechnung (nur via Aktenauflage zugänglich), zeigt, woher der Geldsegen kam: zum einen wurden Rückstellungen zur BVK Sanierung in der Höhe von 2.15 Mio. Franken aufgelöst. Zum anderen wurde der Fonds für Patientenbedürfnisse klammheimlich aufgelöst, was nochmals 1.76 Mio. Franken in die Kasse spülte. Der Zweck dieses Fondes bestand in der „Übernahme von Spitalbehandlungskosten für Patienten in finanzieller Not und Auslagen Soz. Dienst“. Da wird sich der Spitalverwaltungsrat grosszügig gedacht haben, dass wohl auch ein ganzes Spital in finanzieller Not unter die Zweckbestimmung dieses Fonds fällt … und hat sich die 1.76 Mio. Franken kurzerhand in die laufende Rechnung zwecks Ergebnisaufhübschung einverleibt.

„Es kommt schon gut“

Nach den spärlichen Erläuterungen des Spitaldirektors – natürlich erwähnte auch er die grottenschlechte EBITDA-Marge nicht – fragte er in die Runde der Delegierten, ob es dazu Fragen gäbe.

Keine Fragen. Die Delegierten verabschiedeten die Jahresrechnung 2017 kommentarlos und einstimmig.

Man stelle sich das vor: da wird die schlechteste Jahresrechnung seit Einführung der neuen Spitalfinanzierung präsentiert. Von einem Zweckverband, der immer noch vor hat, demnächst 349 Mio. Franken in eine völlig überrissene Spitalinfrastruktur zu stecken (obwohl bereits 2012, als der Verband finanziell noch auf gesunden Beinen stand, klar war, dass das Kostendach von 260 Mio. Franken „unter keinen Umständen“ überschritten werden durfte). Und die Konkurrenz im benachbarten Wetzikon mit 9% EBITDA-Marge soeben ein ganz ordentliches Resultat präsentierte. Und kein Delegierter hat dazu eine Frage.

Geradezu grotesk dann der Abschluss der Versammlung. Spitalpräsident Reinhard Giger blickte auf die abgelaufene Legislaturperiode zurück. Man hätte als Delegierte „vieles zusammen gemacht“, aber „noch nicht alles erreicht“. Er sei aber zuversichtlich. Die Reha sei wichtig, um die Kosten zu senken und künftig ein besseres Resultat zu erzielen.

Dann kündigte Reinhard Giger an, dass er wieder als Spitalpräsident kandidieren werde. „Es kommt schon gut“.

Schliesslich die obligate Frage in die Runde der Delegierten, ob es noch Fragen gebe.

Keine Fragen.

Kurz vor 20 Uhr schritt man zum Apéro riche. Es kommt schon gut.